Physiotherapie

Anwendungsmöglichkeiten der lokalen Vibrationstherapie

Die Lokale Vibrationstherapie (LVT) hat seit fast 100 Jahren einen festen Platz in der konservativen Therapie. Die fehlende flächendeckende Verbreitung dieser Therapieform führt jedoch nach wie vor zu einer gewissen Skepsis bei einigen Therapeuten. Im Folgenden werden verschiedene Anwendungsbeispiele der LVT vorgestellt und aus empirischer Sicht beleuchtet.

Hierfür wurden speziell praktische Anwendungsbeispiele gewählt, die sich auf den therapeutischen Alltag beziehen und von Relevanz für den therapeutischen Alltag sind. Als zentrale Säule der Wirkweise dient bei der LVT der tonische Vibrationsreflex. Die durch ihn ausgelösten natürlichen Muskelkontraktionen führen zu einer lokalen Hyperämie.

Wirkung

Diese ist z. B. in thermografischen Untersuchungen gut nachvollziehbar und kann einen Temperaturanstieg des umliegenden Gewebes von bis zu 2,3 °C hervorrufen1. Weiterhin trägt der sensorische Input der Vibration nachweislich zur Schmerzlinderung bei. Für diese breite Range an Indikationen werden definierte Frequenzen von 50 Hertz, 75 Hz und 100 Hz vertikal in das Gewebe geleitet. Eine Behandlung mittels Hörschalltechnologie kann auf diese Weise eine Wirktiefe von bis zu 6 cm erreichen.

Indikationen

Die schmerzlindernde Wirkung der LVT geht auf die Gate-Control-Theorie zurück. Frühe Versuche zeigten den positiven Einfluss auf das Schmerzgeschehen. Schon 1984 forschte Lundeberg an der Behandlung von schmerzhaften Symptomatiken und untersuchte, inwieweit lokal applizierte Vibrationen im Vergleich zur Gabe von Aspirin diesen Einfluss bestätigen können. Die Ergebnisse ließen den Schluss zu, dass die LVT mit 100 Hz teilweise besser wirken kann als die Gabe analgesierender Medikamente2.

Die aktivierenden, durchblutungsfördernden Effekte der LVT sind auf den tonischen Vibrationsreflex zurückzuführen. Die Frequenzen liegen für eine optimale Auslösung im Bereich von 30 bis 100 Hz. Begründet liegt dieser Reflex in der Aktivierung der Muskelspindel unter der Vibration. Darauf folgt eine Kontraktion der behandelten Muskelfaser aufgrund der Steuerung über polysynaptische Reflexbögen. Wegen der vermehrten Aktivität im Anwendungsgebiet kommt es einerseits zu einer lokalen Hyperämisierung im Gewebe und andererseits zur besseren motorischen Kontrolle.

Chronische Beschwerden

In der Physiotherapie zeigt sich die lokale Vibrationstherapie besonders in der Behandlung von neurologischen und orthopädischen Krankheitsbildern. Neben akuten Beschwerden werden auch chronische Problematiken erfolgreich behandelt.


Schnell und leicht nutzbar: Anwendung der lokalen Vibrationstherapie am M. quadrizeps (Bildquelle: © Novafon)

Studien zeigten zuletzt einen signifikanten Effekt auf die Schmerzlinderung bei Teilnehmenden einer randomisierten und kontrollierten Studie in Bezug auf Kiefergelenkproblematiken. Darin wurde die Teilnehmenden in eine Behandlungs- und eine Placebogruppe unterteilt und mit entsprechenden Geräten des Herstellers NOVAFON ausgestattet. Es erfolgte eine flächige Behandlung für vier Minuten auf 50 Hz im Mm. masseter und temporalis mit dem Telleraufsatz.

Darüber hinaus wurden mit der 100-Hz-Frequenz individuell definierte Schmerzpunkte behandelt. Resultat dieses bilateral angewendeten Behandlungskonzeptes war die Schmerzlinderung der als myofasziellen Schmerzen und Gelenkschmerzen definierten Symptomatik. Darüber hinaus gaben die Teilnehmenden an, weniger an CMD-assoziierten Kopfschmerzen zu leiden3.

Neurologische Krankheitsbilder

Im neurologischen Kontext steht bspw. die Behandlung der Extremitäten nach Apoplex im Fokus der Beobachtungen. Es zeigten sich positive Ergebnisse in Bezug auf die Behandlung von Patienten, die von einer Spastik betroffen sind. Die spastikhemmende Wirkung der lokalen Vibrationen wurde in den Vergleich mit Dehnungen sowie einer Gruppe von Teilnehmenden gestellt, die Ruhe hielt.

Unter den Interventionen zeigte sich, dass die Effekte der LVT sowohl umgehend als auch noch 30 Minuten nach der Intervention einen positiven Effekt auf die F-Wellen-Messung hatte4. Hierdurch kann geschlussfolgert werden, dass die motorische Antwort der Extremität, nach Stimulation der lokal applizierten Vibrationen, verbessert werden kann. Diesen Effekt können Therapeuten sich in der aktiven Behandlung in Form von ADL-orientierten Übungen zunutze machen und motorisches Lernen fördern.

Gleichgewicht

Auch im Sinne von Gleichgewichtsreaktionen konnte die positive Wirkung der LVT nachgewiesen werden. Eine Forschergruppe um Attanasio untersuchte 30 Teilnehmende auf die Komponenten Balance und Stabilität. Unter die Interventionen fiel bei der behandelten Gruppe die Behandlung des Vastus medialis vom M. quadrizeps femoris. Die Teilnehmenden wurden gebeten, unter der Intervention die Muskulatur zu kontrahieren. Auf diese Phase der Aktivität folgte eine einminütige Ruhephase. In dieser Zeit wurden die Teilnehmenden gebeten, bewusst zu entspannen.

Aufgrund der zu Beginn und zum Abschluss gemessenen Parameter in Form des Time-Up-and-Go-Tests gingen die Forschenden von einem positiven Zusammenhang der LVT auf die behandelte Muskulatur und der Haltungsstabilität aus5.

Bildquelle Header: © Novafon
Textquelle 1: Oliveri DJ, Lynn K, Hong CZ. Increased skin temperature after vibratory stimulation. Am J Phys Med Rehabil. 1989;68(2):81–85. doi:10.1097/00002060-198904000-00007
Textquelle 2: Lundeberg T. 1984c. The pain suppressive effect of vibratory stimulation and transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) as compared to aspirin.
Textquelle 3: Serritella et al. 2020, Local Vibratory Stimulation for Temporomandibular Disorder Myofascial Pain Treatment: A Randomised, Double-Blind, Placebo-Controlled Preliminary Study. Pain Research Management.
Textquelle 4: Noma T, et al. 2012. Anti-spastic effects of the direct application of vibratory stimuli to the spastic muscles of hemiplegic limbs in post-stroke patients: a proof-of-principle study. J. Rehabil. Med. 44,4: 325–330.
Textquelle 5: Attanasio G, et al. 2018. Does focal mechanical stimulation of the lower limb muscles improve postural control and sit to stand movement? Aging Clin. Exp. Res. 30, 10: 1161–1166.

Der Autor

  • Ole-Christoph Siefke

    Ole-Christoph Siefke absolvierte sein Bachelor-Studium der angewandten Gesundheitswissenschaften an der Hochschule Furtwangen und ist seit 2012 Physiotherapeut und Manualtherapeut. Er ist in interdisziplinären Gesundheitseinrichtungen mit dem Schwerpunkt auf orthopädischen Behandlungsbildern tätig und seit 2021 Produktmanager für den Bereich der Physiotherapie bei der Firma NOVAFON – Elektromedizinische Geräte GmbH.
     

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